TREUTLER - Genealogie


 

3. Texte zu Herkunftsorten und Landschaften

b) Aspekte zur Siedlungsgeschichte der Treutler

von Dipl.-Krim. Gerd-Christian Treutler

 "Das "Rad der Geschichte" dreht sich bisweilen an seinen Ausgangspunkt zurück. - Im Frühjahr 1945 fluteten endlose Flüchtlingsströme aus dem Osten in die ... westlichen Regionen des Deutschen Reiches; knapp 800 Jahre zuvor waren von hier aus die Vorfahren jener Menschen teilweise auf denselben Straßen nach Osten gezogen." 1

 Die älteste Nachrichten zum Familiennamen Treutler sind aus dem süddeutschen Raum überliefert. Sie stammen aus der Schwäbischen Alb, dem damaligen Ober-Amt Münsingen. Der erste belegte Stammbaum einer dortigen Treutler-Sippe ist uns aber erst aus dem begin-nenden 18. Jh. überliefert. Literaturquellen geben jedoch Anlaß zu der Auffassung, daß die Treutler bereits seit Langem in Schwaben ansässig waren. Der Raum zwischen Schwäbischer Alb und Rhein dürfte daher als der Ursprung des Geschlechtes der Treutler anzusehen sein. Der Familienname dürfte sich in diesem Raume Ende des 13./Anfang des 14. Jahrhunderts gebildet haben. Hierzu ist auf den Artikel zu Ursprung und Bedeutung des Familiennamens Treutler zu verweisen.

 Bis zum heutigen Tage sind einige wenige Treutler-Familien noch im Ursprungsgebiet ansässig.  Allerdings sind dies mittlerweile die wenigsten der bekannten Treutler-Sippen.  Aus der allgemeinen Geschichte ist bekannt,  das in dieser Gegend schon früh ein relativ hoher Bevölkerungsüberschußherrschte.  Damit einher ging auch eine relative Armut in der Bevölkerung. Im 13. und 14. Jahrhundert führten diese Bedingungen, verbunden mit dem Bestreben der katholischen Kirche zu Ost-Expansion zu einer verstärkten Auswanderung großer Bevölkerungsgruppen aus Süddeutschland nach Osten. Vorreiter waren die Klöster, aber auch die Herrscher der östlichen Reiche. Für uns bedeutsam war die damalige Ansiedelungspolitik der böhmischen Könige. Insbesondere unter der Regierung König Ottokars II. wurde die deutsche Besiedlung Böhmens und Mährens maßgeblich gefördert. Aber auch die polnisch-stämmigen Piasten-Herzöge Schlesiens, welche nördlich des Sudentengebirges regierten, förderten die Deutsche Besiedlung. Ende des 13. Jahrhunderts war fast ganz Schlesien von der deutschen Siedlungsbewegung erfaßt. Maßgeblich für diese Besiedlung war die Ost Expansion süddeutscher Klöster. Dabei haben sich die Benediktiner besonders hervorgetan. Für das uns interessierende Gebiet spielte das Benediktinerkloster von Zwiefalten in Schwaben eine besondere Rolle. "Von besonderer Bedeutung für die Zukunft der Benediktiner in Böhmen wurden zwei Landschenkungen des 13. Jahrhunderts an Brevnov, nämlich das Land um Politz und das um Braunau an der Ostgrenze Böhmens. 1213 schenkte König Ottokar I. der Abtei den circuitus Politz."..."Abt Martin I.(1253-1278) betrieb seit den fünfziger Jahren mit deutschen Siedlern systematisch die Urbarmachung. Da aber das Politzer Gebiet recht unwirtschaftlich und wenig fruchtbar war, stießen die Brevnover in das angrenzende fruchtbarere Tal von Braunau vor.1260 hat König Ottokar II.(1253-1278) den Besitz des ganzen Komplexes bestätigt. Bereits 1258 hatte Bischof Johannes III. von Prag dem Brevnover Abt die Pfarrei Braunau übergeben."²  1296 wird Braunau dann Propstei, war aber weiterhin eng mit dem Mutterkloster Brevnov, später als Doppelabtei, verbunden. Die königliche Landschenckung umfaßte nahezu das gesamte Braunauer Ländchen, was damals fast unbesiedelt war. Die wichtigsten Quellen für die damaligen Besitzungen und ihre Bewohner sind die „Urbare“ (Besitzlisten). So existiert noch heute in Prag das Brevnover Urbar von 1406. "Es ist nicht nur fast vollständig, sondern verzeichnet alle Besitzungen und Rechte mit einzigartiger Genauigkeit: die praktisch  geschlossenen Gebiete von Politz und Braunau,... Unter den Urbaren verdient auch noch Erwähnung daß der Stiftsherrschaft Braunau vom Jahre 1676. Es enthält nämlich nicht nur eine genaue Beschreibung des Besitzes des Klosters und aller zu erbringenden Leistungen, sondern hält das gesamte Braunau Land mit allen Dörfern und ihren Höfen, Häuslern, Kirchen, Schulen, Teichen etc. im Bilde fest."³  Von staatlicher Seite sind noch die Steuerrollen – die „berni rula“ als Quellen zu nennen. Die Älteste ist aus dem Jahre 1654 erhalten geblieben. Aus diesem Dokument liegt mir die Erwähnung eines Christoph Trakler, Feldgärtner in Schönau, in Kopie vor. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um den bisher bekannt gemachten Ahnherren Christoph Treutler, geboren um 1595. Im weiteren liegt mir eine Kopie aus dem Urbar der Gemeinde Johannesberg aus dem Jahre 1676 vor. In dieser ist ein Hans Treutler als Häusler erwähnt. Hierbei handelt es sich um den Sohn des vorgenannten Christoph Treutler. Im Schönauer Traumatrikel des Jahres 1668 ist die Trauung des Johannes (Hans) Treutler genannt. Aufgrund der relativen Häufigkeit des Namens Treutler in den Dörfern um Braunau herum kann gefolgert werden, daß die Treutler zu den ersten Siedlern gehört haben. Ein weiteres wichtiges Indiz dafür ist, daß die Johannesberger Treutler unter anderem die Besitzer des ursprünglichen Kirchenstandortes im Dorf waren.

 Aus den sprachwissenschaftlichen Grundlagen der Namensentstehung (s. diesbezüglichen Artikel) und der Kenntnisse über die deutsche Erstbesiedlung des Braunauer Ländchens kann davon ausgegangen werden, daß die ersten Treutler etwa zwischen 1300 und 1350 in Braunau eintrafen.

 Mit dem Bevölkerungszuwachs in den Dörfern um Braunau herum, nahm auch hier wieder der Drang zur Abwanderung in weniger besiedelte Gebiete zu. Durch die große Kinderzahl gab es stets auch nachgeborene Söhne, die den Hof nicht erben konnten und ihr Auskommen anderswo suchen mußten. So tauchen Treutlerum 1490 in der Gegend von Waldenburg / Schlesien auf und Anfang des 16. Jahrhunderts bei Römerstadt in Mähren.  Dort sollen sie zu den ersten Siedlern gehört haben.

 Aber auch später noch kam es zu Abwanderungen aus dem Braunauer Ländchen. So ist um 1780 eine Abwanderung von Johannesberg in das schlesische Königswalde belegt.  Gleichzeitig sollen Brüder nach Peterswaldau und wiederum nach Waldenburg gezogen sein. Nach 1830 tauchen die Treutler erstmals in Gnadenfrei auf. Allerdings sollte man in allen diesen Fällen eher nicht von einer Auswanderung sprechen, sondern es als eine normale Migration im gleichen Siedlungsraum ansehen. Die mittlere Entfernung der Siedlungpunkte im böhmisch - schlesischen Raum zwischen Braunau, Waldenburg, Schweidnitz, Habelschwerdt und Römerstadt betragen nur rund 50 km. Dies entspricht durchaus der normalen Ausbreitung einer Familie über 300-400 Jahre und belegt erneut die Erstbesiedlung von Braunau aus. Eine Ausbreitung nach Süden konnte hingegen nicht stattfinden, da dort, im böhmischen Binnenland, die tschechische Urbevölkerung ausreichend dicht vertreten war.

 Es haben aber auch schon zu früheren Zeiten echte Aus- bzw. Rück-Wanderungen stattgefunden. So sind seit dem 16. Jahrhundert Treutler im Erzgebirge belegt. Hierbei dürfte es sich um Vertreibungen infolge der Husittenkriege gehandelt haben. Die sogenannten „böhmischen Brüder“ mußten dabei das katholische Böhmen verlassen. Das dünnbesiedelte Erzgebirge im Machtbereich der protestantischen sächsischen Kurfürsten bot in nicht allzugroßer Entfernung zur Heimat einen willkom- menen Fluchtraum. Auch die nachgewiesene Abwanderung einer Treutler-Sippe in die österreichische Steiermark dürfte in diesem Zusammenhang stehen.  Diese religiösen Verfolgungen dürften sehr wahrscheinlich der Grund zur Emigration einiger Treutler-Sippen aus dem böhmisch-schlesischen Raum gewesen sein. Frühzeitig kann belegt werden, daß es sowohl katholische als auch protestantische Sippen schon zu Beginn der Reformation gegeben hat. Gerade im böhmisch-schlesischen Kerngebiet um die Grafschaft Glatz kam es durch die mehr oder minder stark betriebene Gegenreformation auch zu Abwanderungen, überwiegend in den sächsischen Raum oder zur Rekonvertierung zum katholischen Glauben.

 Von den frühen Siedlungspunkten in Schwaben, Böhmen, Schlesien und Sachsen haben sich die Treutler dann entsprechend den ökonomischen, staatlichen und technischen Voraussetzungen weiter ausgebreitet. Zu Zeiten normaler politischer Verhältnisse führte dies noch nicht zur Bildung neuer Siedlungesschwerpunkte. Wanderungen blieben auf Einzelpersonen und einzelne Familien beschränkt, wie dies an Treutler-Ahnen bestimmter Berufsgruppen, etwa von Lehrern, Ärzten, Beamten und Offizieren zu belegen ist. Erst in den Gründerjahren gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einer deutlichen Abwanderung in die neuen Industriegebiete. Insbesondere ist eine verstärkte Ansiedlung im Ruhrgebiet nachweisbar. Aber auch die Auswanderung nach Amerika war gerade damals spürbar. Nicht zuletzt fand zu dieser Zeit auch eine verstärkte Abwanderung aus dem ländlichen Raum in die neuen politischen und ökonomischen Ballungsgebiete statt.

 Die größte Wanderungsbewegung der neue Zeit wurde allerdings durch die Umsiedlung nach dem Ende des 2. Weltkrieges ausgelöst. Nahezu alle Treutler aus den östlichen Gebieten Deutschlands mußten nach Westen flüchten bzw. umsiedeln. Noch heute sind in den Siedlungspunkten in Westdeutschland die alten Zielorte der Flüchtlingszüge erkennbar.

 Heute spielen angestammte Siedlungsräume für den modernen Menschen kaum noch eine Rolle. Persönliche und berufliche Entfaltung sind die wesentlichen Antriebsfaktoren für die Wahl des Wohnorts. Aber auch für die modernen Menschen sollte es nicht unwichtig sein, Kenntnis über seine Wurzeln und seine Herkunft zu haben.

Quellen:    1 Winfried Stadtmüller: Die deutsche Ostsiedlung, in: Bertelsmann-Lexikon Dt. Geschichte, 1993, S. 191
                   2 Johannes Zeschick: Die Benediktiner in Böhmen und Mähren, S. 9
                   3 ebenda, S. 25-26



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